Übergewicht und Adipositas sind längst nicht mehr nur individuelle Gesundheitsprobleme, sondern betreffen unsere gesamte Gesellschaft. Aus Public Health-Perspektive stellen sie eine der größten Herausforderungen unserer Zeit dar. In diesem Artikel möchte ich die vielfältigen Auswirkungen von Übergewicht auf unsere Gesellschaft darstellen und erklären, warum ein ganzheitlicher Ansatz zur Bewältigung dieses Problems unerlässlich ist.

Ein gigantisches Problem
Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat sich die Zahl der Menschen mit Adipositas seit 1975 fast verdreifacht. In Deutschland sind mittlerweile etwa 60% der Erwachsenen übergewichtig, davon etwa ein Viertel adipös. Bei Kindern und Jugendlichen liegt die Quote bei etwa 15%. Diese Zahlen sind alarmierend und zeigen, dass wir es mit einem gesamtgesellschaftlichen Problem zu tun haben, das sich über alle Altersgruppen erstreckt.
Gesundheitliche Folgen

Übergewicht und Adipositas erhöhen das Risiko für zahlreiche Krankheiten. Dazu gehören Herz-Kreislauf-Erkrankungen wie Bluthochdruck, Herzinfarkt oder Schlaganfall. Typ-2-Diabetes, bestimmte Krebsarten, Gelenkerkrankungen wie Arthrose, Atemwegserkrankungen (z.B. Schlafapnoe) sowie Lebererkrankungen wie Fettleber oder Leberzirrhose. Auch psychische Erkrankungen wie Depression oder Angststörungen werden mit Übergewicht assoziiert. Darüber hinaus hängen Fruchtbarkeitsprobleme häufig mit einem hohen oder zu niedrigen Körpergewicht zusammen.
Diese Erkrankungen beeinträchtigen nicht nur die Lebensqualität der Betroffenen, sondern belasten auch unser Gesundheitssystem enorm. Die Behandlung dieser chronischen Erkrankungen bindet erhebliche Ressourcen und Personal im Gesundheitswesen.
Werfen wir einen Blick auf die verschiedenen Dimensionen:
Ökonomische Auswirkungen

Die wirtschaftlichen Folgen von Übergewicht sind beträchtlich und lassen sich in verschiedene Kategorien einteilen, nämlich die direkten und die indirekten Gesundheitskosten sowie die sogenannten intangiblen Kosten.
Zu den direkten Gesundheitskosten gehören die Behandlung von übergewichtsbedingten Erkrankungen, die Medikamente, die benötigt werden, und die Kosten, die durch Krankenhausaufenthalte sowie durch Rehabilitationsmaßnahmen entstehen.
Mit indirekten Kosten sind Produktivitätsverluste durch Krankheitstage gemeint sowie eine etwaige vorzeitige Erwerbsunfähigkeit. Aber auch eine verringerte Arbeitsproduktivität – der sogenannte Präsentismus – fällt in diese Kategorie. Damit ist gemeint, dass kranke Menschen sich eben nicht krank schreiben lassen, sondern zwar ihre Arbeit wahrnehmen, aufgrund einer bestehenden Erkrankung aber nicht die volle Leistung bringen können, die sie in gesundem Zustand erbringen würden.
Die intangiblen Kosten zeigen sich in einer Verminderung der Lebensqualität sowie in psychosoziale Belastungen.
Schätzungen zufolge verursacht Übergewicht in Deutschland jährlich Kosten in Höhe von etwa 63 Milliarden Euro. Diese Summe betrifft uns alle, da sie sich in steigenden Krankenkassenbeiträgen und höheren Steuern niederschlägt. Zudem bedeutet sie, dass Ressourcen, die für andere wichtige gesellschaftliche Aufgaben verwendet werden könnten, für die Behandlung vermeidbarer Erkrankungen aufgewendet werden müssen.
Soziale Ungleichheit
Übergewicht ist auch ein soziales Problem und verstärkt bestehende Ungleichheiten in der Gesellschaft.
Dies zeigt sich beispielsweise in Bildung und Einkommen: Studien zeigen, dass Menschen mit niedrigerem Bildungsstand und geringerem Einkommen häufiger von Übergewicht betroffen sind. Dies kann verschiedene Gründe haben, wie geringeres Gesundheitswissen, weniger finanzielle Mittel für gesunde Ernährung oder weniger Zeit für körperliche Aktivität.
Aber auch soziale Stigmatisierung spielt eine zunehmende Rolle. Übergewichtige Menschen erfahren oft Diskriminierung im Beruf, im Gesundheitswesen und im sozialen Leben. Dies kann zu einem Teufelskreis führen, in dem soziale Isolation und psychische Belastungen das Übergewicht weiter verstärken.
Zudem zeigen sich generationenübergreifende Effekte. Kinder übergewichtiger Eltern haben ein höheres Risiko, selbst übergewichtig zu werden. Dies kann zu einer Verfestigung sozialer Ungleichheiten über Generationen hinweg führen.
Auswirkungen auf zukünftige Generationen

Besonders besorgniserregend ist die Zunahme von Übergewicht bei Kindern und Jugendlichen. Dies hat weitreichende Folgen: Übergewichtige Kinder haben ein höheres Risiko, auch als Erwachsene übergewichtig zu sein und früher an chronischen Krankheiten zu leiden. Zudem zeigen Studien, dass übergewichtige Kinder in der Schule oft schlechter abschneiden und später im Berufsleben benachteiligt sein können.
Auch die psychosoziale Entwicklung kann unter dem Gewicht leiden. Mobbing und soziale Ausgrenzung können die psychische Gesundheit und Persönlichkeitsentwicklung nachhaltig beeinträchtigen.
Und nicht zuletzt reden wir in diesem Artikel über gesellschaftliche Kosten: Eine Generation, die früher und häufiger an chronischen Krankheiten leidet, wird das Gesundheits- und Sozialsystem in Zukunft noch stärker belasten.
Umweltauswirkungen
Oft übersehen, aber nicht weniger wichtig, sind die Umweltauswirkungen von Übergewicht.
Mit einem höheren Anteil an übergewichtigen Menschen steigt auch unser Ressourcenverbrauch. Übergewichtige Menschen benötigen im Durchschnitt mehr Nahrung, was zu einem erhöhten Verbrauch von Wasser, Land und Energie in der Lebensmittelproduktion führt. Zudem bedeutet ein höheres Körpergewicht mehr Treibstoffverbrauch im Personen- und Gütertransport. Weiterhin führt die vermehrte Behandlung übergewichtsbedingter Erkrankungen zu mehr medizinischen Abfällen.
Gesamtgesellschaftliche Lösungsansätze
Um das Problem Übergewicht effektiv anzugehen, sind Ansätze nötig, die die ganze Gesellschaft miteinbeziehen. Diese können auf politischer Ebene sein, die Wirtschaft miteinbeziehen oder auch das Bildungssystem umfassen. Public Health Institutionen klassifizieren 7 Ebenen, auf denen wir agieren können, um dem Problem entgegenzuwirken.
1. Prävention: Präventiv kann Übergewicht die Förderung eines gesunden Lebensstils von Kindesbeinen entgegengesetzt werden. Das kann zum Beispiel durch die Förderung von Gesundheitserziehung in Schulen und Kindergärten geschehen oder auch durch die Unterstützung von betrieblicher Gesundheitsangebote.

2. Bildung: Eine Form der Prävention ist auch die Verbesserung der Gesundheits- und Ernährungskompetenz in allen Bevölkerungsgruppen. Hierzu gehören Aufklärungskampagnen über die Folgen von Übergewicht sowie über gesunde Mahlzeiten und ausreichend Bewegung.
3. Umweltgestaltung: Unsere Umgebung entscheidet ebenfalls maßgeblich mit, ob wir uns gesund oder ungesund verhalten. So können mehr oder sicherere Fahrradwege oder auch mehr Grünflächen zur Bewegung anregen. Unsere Ernährungsentscheidungen werden davon geprägt, wie leicht wir Zugang zu gesunden Lebensmitteln haben, also in welcher Entfernung frische Lebensmittel erhältlich sind.
4. Politik: Auf politischer Ebene muss dafür gesorgt werden, dass Werbung für Lebensmittel strengen Regularien unterliegt, insbesondere wenn es sich um Produkte für Kinder handelt. Zudem sollten Lebensmittel klar gekennzeichnet sein und ungesunde Produkte (zum Beispiel mit hohem Zuckergehalt) höher besteuert werden, also gesunde. Gleichzeitig können gesunde Lebensmittel subventioniert werden.
5. Gesundheitssystem: Auf der Agenda des Gesundheitssystems muss die Verbesserung der Versorgung und der Unterstützung für Menschen mit Übergewicht stehen. Ernährungsberatung und Bewegungstherapie sollten zentraler Bestandteil der Primärversorgung sein. Auch Behandlungsansätze, die verschiedene Disziplinen miteinbeziehen, sollten gefördert werden, um Menschen mit Gewichtsproblemen auf allen Ebenen unterstützen zu können.
6. Forschung: Im Bereich der Forschung geht es darum, die Ursachen und Folgen von Übergewicht besser zu verstehen. Darauf basierend können Präventions- und Interventionsprogrammen entwickelt und ausgewertet werden.
7. Wirtschaft: Nicht zuletzt sollte auch die Wirtschaft ihren Beitrag zur Reduzierung des Problems leisten. Dies kann neben der reinen Kennzeichnung von Lebensmitteln beispielsweise über die Herstellung gesünderer Produkte geschehen. Die Politik sollte dazu Anreize für Unternehmen schaffen, genauso wie für Innovationen im Bereich gesunder Ernährung und Bewegung.
Fazit
Übergewicht ist ein komplexes Problem, das uns alle betrifft. Die gesundheitlichen, ökonomischen, sozialen und ökologischen Folgen sind enorm und erfordern ein Umdenken auf allen Ebenen der Gesellschaft. Nur wenn wir Übergewicht als gesamtgesellschaftliche Herausforderung begreifen und gemeinsam dagegen vorgehen, können wir langfristig etwas bewirken.
Es ist wichtig zu verstehen, dass Übergewicht nicht allein eine Frage individueller Verantwortung ist, sondern das Ergebnis komplexer Wechselwirkungen zwischen genetischen, umweltbedingten und gesellschaftlichen Faktoren. Daher sind Ansätze erforderlich, die über die reine Verhaltensänderung des Einzelnen hinausgehen und die Lebensbedingungen insgesamt gesünder gestalten.
Jeder Einzelne, aber auch Politik, Wirtschaft und Gesundheitssystem sind gefordert, ihren Beitrag zu leisten. Eine gesündere Gesellschaft kommt letztlich uns allen zugute – durch eine höhere Lebensqualität, geringere Gesundheitskosten und eine produktivere Wirtschaft. Die Bekämpfung von Übergewicht ist eine Investition in unsere gemeinsame Zukunft, die sich in vielerlei Hinsicht auszahlen wird.
Wenn du mehr über gesunde Ernährung erfahren möchtest, schau dich doch mal hier um.
